Scheinbare Selbstverständlichkeiten wie Weizen sind plötzlich ein politisches Thema. Wir lernen gerade, wie wertvoll dieses Nahrungsmittel ist und dass es aufgrund der Ernteausfälle in der Ukraine sicher noch knapper und teurer wird.
Damit erscheint in einem noch grelleren Licht, dass „60 % der Agrarfläche in Deutschland für den Anbau von Futter verwendet wird. Wir könnten viel mehr Lebensmittel erzeugen, wenn wir weniger Land für Futter für Massentierhaltung zum Export von Billigfleisch verwenden würden.“, schreibt Prof. Stefan Rahmstorf, vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Der Mann ist Klimaforscher und hat allen Grund sich dazu Gedanken zu machen:
„Pro Kilo Rindfleisch werden umgerechnet 13,3 Kilo CO2 freigesetzt. Zum Vergleich: Die gleiche Menge Mischbrot produziert 0,75 Kilo CO2, Äpfel 0,5 Kilo CO2, und Tomaten 0,2 Kilo CO2.“, schreibt Greenpeace dazu.
Dass die Aufzucht von Tieren für die menschliche Nahrung schon längst zu einer Industrie, eben zur Massentierhaltung geworden ist, kann man an den schieren Größenordnungen ablesen:
„Im Jahr 2020 setzte dieser Zweig des Ernährungsgewerbes in Deutschland insgesamt rund 17,57 Milliarden Euro um“, schreibt dazu Statista.
Das Ziel dieses Tuns ist nicht nur, den Fleischhunger der Deutschen, oder Europäer zu stillen.
Viele hier aufgezogene Tiere, werden lebendig exportiert und zum Teil in ferne Länder transportiert. Unter oft skandalösen Umständen.
Jeder hat solche Tiertransporte schon auf der Autobahn gesehen.
„Die Tiere, überwiegend Rinder, sind während ihres Transports über zum Teil mehrere Tausend Kilometer in Frachtschiffen und Lastwagen einer qualvollen Tortur ausgesetzt. Völlig unerträglich allerdings sind die Schlachtmethoden, wie sie in einigen Ländern des mittleren und Fernen Ostens praktiziert werden. Wir haben dazu Berichte und Bilder aus Marokko gesehen. (…)
Das sogenannte Schächten geschieht oft so, dass die Tiere an den Beinen hochgezogen, damit Kopf und Hals nach unten fallen, dann wird ihnen ohne jede Betäubung der Hals aufgeschnitten, damit das Blut auslaufen kann. Auf diese Weise verenden die Tiere qualvoll. Diese Schlachtmethode widerspricht vollständig unseren Prinzipien und auch den Gesetzen zum Tierschutz, denen wir uns verpflichtet haben.“
So werden in Deutschland aufgezogene Rinder in ferne Länder ans Messer geliefert. Wortwörtlich.
Erst in wenigen Regionen, wie zB in Teilen des Libanon, werden die Tiere vor dem Schächten betäubt, schreibt
Brandbrief an Cem Özdemir - Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (Bitte klicken für den Brief als PDF-Datei)
Clavigo Lampart, Mitglied der Grünen in Bad Liebenzell, hat diese Missstände in klaren Worten in einen dringlichen Brief an unseren Bundes-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir beschrieben:
Der Brief wurde sowohl vom Ortsvorstand Bad Liebenzell wie auch vom Kreisverband Calw mitunterzeichnet und endet in der Forderung:
„Wir fordern deshalb einen sofortigen Stopp für den Export von lebenden Tieren aus Deutschland in Nicht-EU Länder, auch auf dem Umweg über andere EU-Länder, solange kein entsprechendes Exportverbot für die gesamte EU besteht.
Wir bitten Dich mit allem Nachdruck, in diesem Thema aktiv zu werden und Dein ganzes Gewicht als Landwirtschaftsminister in die Waagschale zu werfen, um diesen unerträglichen und mit nichts zu rechtfertigenden Zustand, zum Wohle der uns anvertrauten Tiere, zu beenden.“
Antwort aus Berlin
Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, die Tierärztin Dr. Ophelia Nick, hat im Auftrag von Cem Özdemir auf den Brief geantwortet. Sie weist darauf hin, dass das Thema in den Koalitionsvertrag gebracht wurde. Entsprechend wird an der „EU-Tierschutztransportverordnung“ gearbeitet. Ihr Ministerium befürworte ein EU-weites Verbot von Langstreckentransporten lebender Nutztiere in Drittländer. Dies auch vor dem Hintergrund, dass solche Verbote dann nicht einfach durch den Transport in andere Mitgliedstaaten umgangen werden könnten, schreibt Frau Dr. Nick. Leider wird erst bis Ende 2023 mit einer Neufassung gerechnet.
Offenbar macht sich das Ministerium weitere Gedanken, wie das Problem auf Dauer gelöst werden könnte. Als Perspektive wird genannt, dass besser Fleisch als lebende Tiere transportiert werden soll.
Bericht von Albrecht Martin, KV Calw